Namibia Mountainbike-Safari2023-09-08T12:19:56+02:00
  • Unendliche Weite

Namibia Mountainbike-Safari

Da ist doch was im Busch

Kein Land in Afrika ist dünner besiedelt als Namibia. Beste Bedingungen also für eine Mountainbike-Safari – sofern einem 35 Grad im Schatten, Wellblechpisten, Sand in Schaltwerk und Ohren sowie neugierige Elefanten nichts ausmachen.
Zeltnächte in Namibia

Um Mitternacht zeigt das Thermometer noch immer 26 Grad an. Ich sitze vor unserem Zelt und blicke zum tiefschwarzen Nachthimmel hinauf, an dem Millionen Sterne funkeln. Ich erkenne das Kreuz des Südens und versuche neue, unbekannte Sternbilder am Firmament zu entschlüsseln. Müde? – Namibia ist viel zu aufregend zum Schlafen. Die geheimnisvollen Geräusche im Busch, der Duft der warmen Luft. Irgendwann krieche ich doch ins Zelt und schließe sorgsam den Reißverschluss. Wer möchte schon, nur wegen der hungrigen Hyänen, morgens ein Stück kürzer aufwachen, als er eingeschlafen ist? Sämtliche Lüftungsfenster lasse ich jedoch geöffnet, um durch die Mücken-Netze nach draußen spähen zu können.

Elefanten im Camp

Kurz vor dem Morgengrauen höre ich im Halbschlaf Äste knacken. Nein, es müssen richtige Bäume sein, die da umgestoßen werden. Die Geräusche kommen näher. Ich bin jetzt hellwach und weiß: Da sind Elefanten im Anmarsch. Und sie ziehen nicht etwa am Camp vorbei, sondern steuern zielstrebig darauf zu. Sie sind jetzt sehr, sehr nah! Zu nah, um vom Zelt zu unserem Landcruiser zu laufen, dessen Türen ohnehin zugesperrt sind. Ich höre, dass Toni im Nachbarzelt ebenfalls aufgewacht ist, aber ich wage es nicht, ihm etwas zuzurufen. Auch Sandra wecke ich nicht aus ihrem Koma-Schlaf, denn sie würde sich nur ordentlich erschrecken.

Ich liege jetzt ganz ruhig und atme flach, so als ob ich mich dadurch unsichtbar machen könnte. Ich höre das schwere Schnauben der Tiere und bilde mir ein, dass der Boden vibriert, obwohl Elefanten ihre massigen Füße doch so vorsichtig aufsetzen. Dann siegt die Neugier. Ich setze mich auf – und blicke einem Elefanten durch das Moskitonetz direkt in sein großes, rotes Auge. Uns trennen nicht mehr als 50 Zentimeter. Einen Augenblick verharren wir beide regungslos, dann wirft er erschrocken den Kopf herum, stellt die Ohren auf und weicht ein paar Schritte zurück. Im Adrenalinrausch nehme ich wahr, wie der Dickhäuter sich an unserer Obstkiste zu schaffen macht, denn Elefanten lieben Zitrusfrüchte über alles. Als er nichts mehr findet, trollt er sich langsam zu seiner Herde.

Am nächsten Morgen stehen die grauen Riesen immer noch im ausgetrockneten Flussbett bei unserem Zeltplatz. Wir sehen, dass sie am Strohdach der Rezeption einige architektonische Veränderungen vorgenommen haben, die nicht im Sinne des Eigentümers sein dürften. Zum Glück haben sie unsere Bikes in Ruhe gelassen. Mit dem Frühstück – Müsli OHNE Zitrusfrüchte – lassen wir uns Zeit, denn solange die “Elies” hier abhängen, wäre es keine so gute Idee, sich in den Sattel zu schwingen.

Elefant in freier Wildbahn
Elefant in freier Wildbahn

Mit dem Mountainbike durch Namibia

Mountainbiking in Namibia gehorcht eben anderen Gesetzen als zuhause. Wer schon vor einem bellenden Pudel erschrickt und sich ohne eine private Pflegezusatzversicherung nicht richtig wohl fühlt, sollte vielleicht nicht nach Afrika zum Radfahren reisen. Kurz vor dem Trip hatte uns jemand ein YouTube-Video zugespielt, auf dem zu sehen ist, wie eine riesige Antilope einen Mountainbiker bei einem Etappenrennen in Südafrika regelrecht über den Haufen rennt. Kann schon mal passieren, hatten wir schulterzuckend und betont lässig geantwortet. In heimischen Wäldern gebe es ja auch ab und zu übellaunige Wildschweine …

Tatsächlich eignet sich Namibia sogar sehr gut für einen Urlaub auf zwei Rädern, sofern man dort kein Singletrail-Paradies erwartet. Die meisten Touristen lassen sich im klimatisierten Bus oder Allradwagen durchs Land karren, doch man ruiniert sich dabei nur die Bandscheiben und erfährt wenig über Land und Leute. Auf dem Bike ist das Erlebnis viel intensiver. Immer wieder queren vor uns Kudu-Antilopen die Piste, ein Trupp Paviane spaziert vorbei, Warzenschweine graben nach frischen Wurzeln, Zebras galoppieren davon, als sie unsere Witterung aufnehmen. „Sehen aus wie Pferde im Schlafanzug“, flüstert Sandra. Alle sind mucksmäuschenstill und haben leuchtende Augen, wenn wir in den endlosen, sonnenverbrannten Weiten Namibias mal wieder Giraffen oder Strauße entdecken. Manchmal kommen wir uns vor, als ob wir ein Ticket für den Zoo gelöst hätten.

In einem kleinen Dorf mit ärmlichen Rundhütten begleitet uns eine Weile ein kleiner Junge mit seinem klapprigen Rad. Während des Fahrens kickt er mit seinem Vorderrad Kugeln aus getrocknetem Elefantendung wie Fußbälle aus dem Weg. “Kick it like Beckham”, ruft er uns lachend zu, “but Özil also good!”

Afrikanisches Open-Air-Wellnesscenter

Abends rollen wir dann die Schlafsäcke im Camp aus und duschen in unserem Open-Air-Wellnesscenter – unter einem an Akazien aufgehängten Plastiksack. Mit einem Gin & Tonic in der Hand sehen wir zu, wie die Sonne als glühend-roter Ball am Horizont versinkt. Out-of-Africa-Feeling pur! Wir schauen zufrieden in das knisternde Lagerfeuer, während uns der Duft von Würsten aus Springbock-Fleisch und saftigen Kudu-Steaks in die Nase steigt. Ohne ein ordentliches „Braii“, wie man im südlichen Afrika ein Barbecue nennt, darf man so einen Tag nicht ausklingen lassen.

Panierte Schnitzel auf Rädern

Am nächsten Morgen sitzen wir spätestens um sieben Uhr wieder im Sattel, um die noch erträglichen Temperaturen auszunutzen, denn um die Mittagszeit steigt die Quecksilbersäule auf bis zu 40 Grad im Schatten an. Wir verkriechen uns dann meistens im Schatten einer Akazie oder unter einem Felsvorsprung – zu lebensfeindlich sind die gewaltigen Wüsten und Halbwüsten des Landes, in denen Regen so selten ist wie in Deutschland eine Kobra im Garten. Nach der Siesta steigen wir am späten Nachmittag wieder auf die Bikes und kurbeln mal durch Ebenen, mal über Hügelketten, aber stets auf rauem Untergrund, wo sich grobes Geröll und sandige Passagen abwechseln. Vor allem die ausgewaschenen Wellblechpisten sind eine mentale Herausforderung. Wir kommen uns vor wie ein Martini von James Bond: immer gut geschüttelt. Technisch ist das nicht allzu anspruchsvoll, aber dennoch leiden Mensch und Maschine: Scharfe Steine zerschneiden Mäntel, die Stacheln der Kameldorn-Bäume durchlöchern Schläuche. Der allgegenwärtige Sand lässt versenkbare Sattelstützen kapitulieren und sorgt für eine knirschende Begleitmusik beim Kauen. Manchmal fühlen wir uns wie panierte Schnitzel.

Gravelroad in Namibia
Gravelroad in Namibia

Sehenswürdigkeiten und Höhepunkte Namibias

Trotzdem genießen wir jeden Kilometer, zumal wir auf unserer Rundreise auch die Sightseeing-Höhepunkte Namibias kennenlernen: Bei den berühmten roten Dünen von Sossusvlei blinzeln wir der aufgehenden Sonne im endlosen Sandmeer entgegen. An der Spitzkoppe cruisen wir bis zum Sonnenuntergang über herrlich griffige Slick-Rocks, die denen in Moab in nichts nachstehen. Im Etosha-Nationalpark gehen wir auf Nashorn- und Löwen-Pirschfahrt. Und an der Atlantikküste in Swapokmund bestaunen wir kritisch die teutonische Vergangenheit, denn Namibia war von 1884 bis 1915 die deutsche Kolonie “Deutsch-Südwestafrika”. Es gibt noch heute viele deutsche Geschäfte, Bäckereien verkaufen Vollkornbrot, Metzgereien Schweinshaxen und Sauerkraut, die Straßen von Swapokmund sind nach Kaiser Wilhelm II. und Reichskanzler Bismarck benannt. Nicht immer möchte man wissen, welche Gesinnung und welches Deutschlandbild diese Aussiedler so mit sich herumtragen. Einen kleinen Hinweis darauf bekommt man an der Strandpromenade, wo ein großes Schild auflistet, was alles verboten ist: neben nicht angeleinten Hunden gehört auch das Radfahren dazu. Willkommen in der Heimat in der Ferne!

Biken im namibischen Outback

Wir flüchten zurück in die Wüste und nehmen uns jetzt den nahezu menschenleeren Nordwesten des riesigen Landes vor: Damaraland und die Provinz Kunene. Spannend ist das zum einen, weil hier der Stamm der Himba lebt, der seine Kleiderordnung den örtlichen Temperaturen angepasst hat. Die Himba tragen außer einem Lendenschurz – nichts. Auch die Frauen. Auf dem Bike werden wir deshalb immer wieder von barbusigen Frauen am Wegesrand angefeuert. Das kennt man so in Deutschland eher weniger. Außerdem waschen sich Himba-Frauen nie. In Buchstaben: N, I, E. Never. Also: überhaupt gar nicht. Stattdessen tragen sie auf die Haut eine rötliche Paste aus Rinderfett auf, die mit dem Extrakt einer Pflanze versetzt ist, die sogar bei französischen Parfum-Herstellern begehrt ist. So geht Wassersparen 3.0 in der Wüste…

Zum anderen ist der Nordwesten so interessant, weil es hier die sogenannten „Conservancies“ gibt. Das sind Schutzgebiete, in denen Menschen und Wildtiere ohne Zäune und ohne offiziellen Nationalpark-Status koexistieren. Die Wüstenlöwen und die Spitzmaulnashörner hier sind die einzigen ihrer Art weltweit, die nicht in Parks leben. Das funktioniert ganz gut, weil die Einheimischen inzwischen gelernt haben, dass ein lebender Löwe und ein lebendes Nashorn langfristig wertvoller sind als tote Tiere: Die Touristen kommen in Scharen und die Locals verdienen Geld mit Campingplätzen, als Guides und als Lodge-Betreiber. Natürlich klappt das nur, weil die Provinz Kunene so dünn besiedelt ist und sich zum Beispiel Rinderhirten mit ihren Herden und Löwen nur selten in die Quere kommen.

Für uns heißt das: Wir könnten Großwild sehen, das wir vielleicht gar nicht unbedingt aus der Perspektive eines Mountainbikers sehen wollen. Die meisten Vierbeiner, klärt uns Guide Wenzel auf, seien scheu und vorsichtig, manche jedoch auch unberechenbar: „Wenn ich leise sage ‚Bike ablegen und langsam zurückgehen’, dann werden wir nicht darüber diskutieren, ob das jetzt der richtige Zeitpunkt ist, das schöne, neue Ghost AMR Plus Lector allein im afrikanischen Busch zurückzulassen, okay?“ Wir nicken brav. „Sollen wir im Notfall auf Bäume klettern?“ – „Gibt’s hier wenige“, antwortet Wenzel knapp und grinst. Zur Beruhigung fügt er hinzu, dass Löwen faul sind und tagsüber meistens nur chillen. „Sie jagen nachts, wenn wir schlafen. Allerdings: Wer abends viel Windhoek Lager trinkt, muss nachts raus zum Pinkeln. Und da sollte man dann schon vorsichtig sein.“

Sandra, Toni und ich schauen uns an. Wir schlucken. Toni versucht es als Erster mit einem Scherz: „Ich komme mir vor wie Essen auf Rädern.“ Sandra pflichtet ihm bei: „Ja, wie Katzenfutter im Maloja-Outfit.“ Während uns Wenzel zum Relaxen einen südafrikanischen Merlot einschenkt, beschließen Toni und ich, dass wir die Gummi-Schlange, die wir Sandra diese Nacht eigentlich in den Schlafsack stopfen wollten, vorerst eingepackt lassen… Es ist auch so schon spannend genug in der Wildnis Namibias.

Sossusvlei- beeindruckende Wüstenlandschaft
Sossusvlei- beeindruckende Wüstenlandschaft

Namibia Reiseinformationen

Der seit 1990 unabhängige Staat im Südwesten Afrikas gilt als sicheres Reiseland, ist politisch stabil und für seinen Tierreichtum bekannt. Auf einer Fläche, die dreimal so groß ist wie Deutschland, leben gerade einmal 2,3 Millionen Menschen. Große Teile Namibias bestehen aus Wüste oder Halbwüste, Teerstraßen gibt es nur wenige. Für Mountainbiker ist das eigentlich ein Paradies. Allerdings ist die MTB-Szene viel kleiner als im bevölkerungsreichen Südafrika, wo es inzwischen fast wöchentlich Etappen-Rennen gibt und ständig neue Trails gebaut werden. Namibia ist deshalb bis auf weiteres noch Bike-Entwicklungsland. Am besten „erfährt“ man das Land, indem man eine Bike-Rundreise bucht, in die die touristischen Highlights Namibias eingebaut sind.

Reisebericht-Autor: Reisejournalist Günter Kast

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Geschrieben von: Günter Kast

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Namibia Mountainbike-Safari im Outback

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