Philippinische Inseln mit Velo und Schiff2023-09-08T09:37:26+02:00
  • Philippinen per Velo und Schiff

Philippinische Inseln mit Velo und Schiff

Biker saugen die exotische Kultur mit allen Sinnen auf

Fünf Inseln, 500 Kilometer, 5000 Höhenmeter bewältigt die Schweizer Bike Gruppe auf ihrer Fahrt durch die philippinische Region Visayas. Nicht Leistung ist das Ziel, sondern Entdecken und Erleben, eine Kultour mit zehn Velo- und insgesamt 15 Reisetagen. Die kompetenten Guides, sowie eine bewährte und vielfältige Route ermöglichen den 14 Teilnehmenden bereichernde Erlebnisse “im Kilometertakt”.

Asien ist nichts für Langschläfer, das ist bekannt. Die Kühle des jungen Tages ist für Velofahrer die schönste Zeit. Der Inseltrip über die Philippinen kennt zudem nur zwei Transportmittel: Schiff und Velo, das ist äusserst angenehm. Nur mit dem leichten Tagesrucksack beladen, tauchen die Schweizer Biker in den einheimischen Alltag, reihen sich ein in die Hundertschaften, welche meist per Moto zur Arbeit fahren. Erste Gespräche ergeben sich von Sattel zu Sattel, die exotischen Biker in ihren knalligen Shirts machen neugierig, „what are you doing here“?

Gute Frage, unser Guide Stefan Alder macht die Tour bereits zum 12. Mal. Der 50jährige beendete vor 15 Jahren seine internationale Bankkarriere und „sattelte“ im wahrsten Sinne des Wortes um. Statt für die Zürcher Kantonalbank ging er fortan für die kleine Zürcher KMU Bike Adventure Tours aus Affoltern am Albis auf Weltreise der andern Art. Die Gründe für diesen Wechsel sind vielfältig. Je länger die Reise dauert, desto klarer werden sie: Stefan Alder liebt die Menschen! Es fasziniert ihn, sie in ihrem für uns exotischen Umfeld mit dem Velo zu besuchen. Nur so, ist er heute felsenfest überzeugt, nur wer zu Fuss oder mit dem Velo reist, der findet den Draht zu Land und Leuten.

Philippinische Landwirtschaft
Philippinische Landwirtschaft

Das Leben nach dem Wirbelsturm

Auf der Insel Bohol beispielsweise, die grösste der Reise, führt Alder seine Schweizer Gruppe über sattgrüne Single-Trails durch den dichten Regenwald. Unvermittelt taucht ein Haus auf einer Lichtung auf, eine fröhliche Familie scheint die Velofahrer zu erwarten. Stefan verbindet eine spezielle Geschichte mit diesem Fleck. 2013 war hier nur Verwüstung und Elend zu sehen. Taifun „Jolanda“ hatte die Existenz der Familie kurzerhand plattgewalzt. Bankier Alder wollte helfen. Nicht mit einer Hypothek allerdings. Er ging mit den Männern der Familie in den Baumarkt und kaufte für 2000 Franken alles, was es für ein neues Haus braucht. „Anpacken!“ hiess es nun für die leidgeprüften Leute. Auf der Tour zwei Jahre später ist der Kummer befreitem Lachen gewichen, Tochter Sanja bekommt schulfrei, um der Schweizer Velogruppe stolz ihr neues Zimmer zu zeigen.

Beim Znüni mit frischen Ananas und Tee erfährt die Gruppe mehr über die unkonventionelle Entwicklungshilfe des Bike Guides Stefan Alder und die handwerkliche Selbständigkeit von Bewohnern einer Wirbelsturm-Region.

Wieder im Sattel drehen sich Pedale und Gedanken. Was für ein Leben im Vergleich zu unserer hochversicherten Komfort-Gesellschaft! Lange grübeln kann man indessen auf einer solchen Reise nicht, an jeder Ecke wartet ein neuer Eindruck. Das Velo macht‘s möglich, „Halt auf allen Stationen!“. Es ist nicht nur der routinierte Schweizer Guide, sondern auch die verschiedenen einheimischen Führer, welche die 14köpfige Reisegruppe begleiten. Auf Bohol ist es Joshua (47), auch er seit vielen Jahren dabei. Natürlich weiss er alles Wissenswerte über seine Heimat. Berührend ist aber vielmehr seine persönliche Geschichte. Jene seines Sohnes beispielsweise, für den er kämpft wie ein Löwe, damit er aus dem Teufelskreis der Armut ausbrechen, und eine höhere Schulbildung auf der Nachbarinsel absolvieren kann. Richtig erraten, dass Ex-Bankier Alder auch da ein kleines mobiles Hilfswerk eingerichtet hat…. es sollte nicht das letzte auf dieser Tour sein.

Traumstrände
Traumstrände

Der Mensch als wichtigstes Exportartikel

Wichtigster Exportartikel der Philippinen sind die Filipinas und die Filipinos. Auf der ganzen Welt wird ihre freundliche und zupackende Mentalität geschätzt. Ob in den Boutiquen Dubais, im Weissen Haus in Washington, auf den Baustellen in Saudiarabien oder auf den grössten Kreuzschiffen der Weltmeere, philippinische Arbeitskräfte stellen den Stamm. Ihr Beitrag zum philippinischen Bruttosozialprodukt beträgt 15 Prozent. Joshua weiss natürlich, dass sein Sohn mit einer höheren Bildung auch einen höheren Lohn erhalten wird. Ungelernte Auslandarbeiter werden oft ausgebeutet und wie Sklaven gehalten.

Die Philippinen gehören zwar zu Asien, ihre Geschichte prägte sie jedoch zu einer Nation zwischen den Kulturen. Die Spanier (1565 bis 1898) und die Amerikaner (1898 bis 1946) etablierten westliche Werte und Lebensweisen. Englisch und Spanisch sind neben der einheimischen Sprache sehr präsent.

Mit dem Velo erfährt man im buchstäblichen Sinne die unglaublichen Unterschiede zwischen arm und reich. Fährt man eben noch an protzigen Villen mit hohen Sicherheitszäunen vorbei, so trifft man Minuten später in den Dörfern des Hinterlandes auf bettelarme Menschen, denen das allgegenwärtige Smartphone die Welt der Reichen und Schönen auf den Bildschirm zaubert.

Philippinische Kinder auf dem Schulweg
Philippinische Kinder auf dem Schulweg

Biketour als willkommener Zusatzverdienst

Jessy fährt seinen Jeepney, einen überdimensionierten Geländewagen, jahraus jahrein von Tagbilaran, der Hauptstadt der Insel Bohol, nach Loboc und wieder zurück. Doch ein- bis zweimal pro Jahr darf er seltsame Fracht führen: das Hab- und Gut der Schweizer Biker, Ersatzvelos, Werkzeugkoffer und natürlich Essen und Trinken. Jesse mutiert beim Mittagshalt zum gewandten Gastgeber und verwöhnt die hungrigen Velofahrer mit Köstlichkeiten von der Insel.

Wer den ganzen Tag Velo fährt, hat auch den ganzen Tag über Hunger und Durst. Einen Hungerast will sich keiner leisten und der kommt schneller als man denkt. Für dieses Bedürfnis sind die Philippinen ideal: wo es mehr als zwei Häuser hat, hat es auch einen Kiosk, ein „Lädeli“. Da gibt es gekühlte Getränke und frische Früchte, Müesliriegel und alles was der hungrige Biker eben grad brauchen kann. Geht auf Truppenkasse, geführt vom Guide, die Biker füttern sie mit mehreren „Einmaleinlagen“. So ein Boxenstopp für 16 durstige Kehlen kostet übrigens rund drei Franken.

Lustige Nebengeschichte aus dem Fundus der Guides: einmal im Jahr kommt der Steuervogt aus der Hauptstadt Cebu auf die Insel Bohol. Sobald er im Hafen von Tagbilaran anlegt, geben SMS Alarmstufe 1 aus: Wer irgendwie kann, nagelt seinen Kiosk mit Brettern zu und gibt ihm den Anstrich, als sei er schon seit Jahren nicht mehr in Betrieb. Legt der Beamte mit den Steuern jener Geschäfte, welche zu gross sind, um von einer Stunde auf die andere dicht zu machen, im Hafen wieder ab, melden die SMS: „Gefahr vorbei, ihr könnt eure Kioske wieder öffnen!“

Jean-Jacques Fasnacht ist nicht nur begeisterter Biker, er ist auch passionierter Hausarzt. Auf Panglao Island wird er selber zum Patient: er tritt in einen Seeigel, dessen Stacheln sich schmerzhaft in die Fusssohle bohren. Die Krankenschwester des Resorts nimmt es gelassen. Sie kennt nicht nur das Problem, sondern auch die simple Lösung: Dr. Fasnacht darf seinen Fuss ein paar Minuten in lauwarmes Essigwasser tauchen, und schon lösen sich die widerspenstigen und kalkhaltigen Stacheln auf. Gewusst wie!

Die Velotour durch die philippinische Inselwelt zeigt jedoch an allen Ecken und Enden, dass die Gesundheit der Bevölkerung im Argen liegt.

Im Dorf Zaragoza auf Cebu Island leben rund 1200 Einwohner. Stefan Alder betreibt dort seit 2010 mit Unterstützung einiger Schweizer Firmen ein effizientes Zahnhygieneprogramm. An Schulen und Bevölkerung werden im grossen Stil Zahnbürsten und Zahnpasta mit der nötigen Information zur Anwendung verteilt. Die Schweizer Biker-Gruppe erlebt den zweimal jährlichen Besuch der Zahnärzte aus der Hauptstadt. Diszipliniert reihen sich Hunderte von Kindern und Erwachsene in die Schlange vor dem Zahnarztstuhl ein.

Besondere Aufmerksamkeit hat die Mutter jener kleinen Tochter, welche eine offene Gaumenspalte, einen sogenannten Wolfsrachen hat. Dank der Schweizer Unterstützung erhielt das kleine Mädchen in einer ersten Operation ein menschenwürdiges Gesicht. Die Behandlung wird fortgesetzt.
Beim Reisbauern lernen die Schweizer Velofahrer nicht nur den Ochsenpflug zu lenken, sie dürfen auch das bescheidene Zuhause gleich neben dem Reisfeld kennenlernen. Die freundlichen Leute freuen sich über die Gäste, welche sich für ihr karges Leben interessieren, sowie natürlich auch über den regelmässigen kleinen Zustupf an ihre Familienkasse. Ihr Tresor, so erklärt unser Guide Stefan Alder, sei der Reisvorrat. Benötigt man Geld, verkauft man ein, zwei Säcke der weissen Währung, welche man dreimal jährlich ernten kann.

Dass in den Visayas auf den Philippinen Regenwaldklima herrscht, merkt man ziemlich pünktlich um 11 Uhr, wenn das erste deftige Gewitter einsetzt. Meist steht man kurz unter ein Dach oder schützende Bäume. Die frisch gefüllten Pfützen umfährt man eine Weile, bald spielt es jedoch keine Rolle mehr, die farbigen Velokleider nehmen einheitliche Brauntöne an….

Das Fahren in der Gruppe macht meist Spass, mühsame Drängler sind selten. Ab und an kommt es vor, dass ein Teil des Trosses spontan vom Temporausch befallen wird. Kollektives Jagdfieber lässt die Geschwindigkeit für einige Kilometer merklich ansteigen.

Natürlich sollte man für eine solche Reise mit dem Bike einigermassen fit sein, es geht jedoch nie um Höchstleistungen, sondern um genussvolles Entdecken.

Der Mediziner Jean-Jacques Fasnacht diagnostiziert den Velofaktor so: „Eine Reisegruppe, die sich körperlich bewegt, ist anders zusammengesetzt, als eine, die mit dem Bus fährt. Die Biker sind ausgeglichener. Zudem verstärkt die körperliche Anstrengung die Wahrnehmung sämtlicher Sinne: Man sieht, hört, riecht und schmeckt viel intensiver“.

Ruth Rohrer-Albertini hat es vor allem die Freundlichkeit und Offenheit der Bevölkerung angetan: „das wirkt sehr natürlich und ist nicht Marketing!“
Arzt Jürg Kälin sieht Fernreisen per Velo als perfekte Medizin, er nimmt sie immer wieder zu sich. „Die kompetenten Guides und die sorgfältig geplanten Touren bieten eine unübertreffliche Nähe zu Land und Leuten“.

Reisebericht-Autorin: Reiseteilnehmer Peter Marthaler

Infos zum Reisebericht

Geschrieben von: Peter Marthaler

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